Es fällt schwer, einen lückenlosen chronologischen Abriss einer 38jährigen Vereinsgeschichte zu geben, wenn man selbst 12 Jahre ortsabwesend war und zum andern durch die Kriegsereignisse die meisten schriftlichen Unterlagen verlorengegangen sind. Ich bin daher auf mein Gedächtnis angewiesen und auf die Notizen, die mir aus Kameradenkreisen zur Verfügung gestellt wurden.Aber wie es so ist, vieles ist durch die nachhaltigen Erlebnisse der letzten 20 Jahre überschattet, viele Erinnerungen gingen durch den Tod so manchen Kameraden endgültig verloren. Die Ereignisse der letzten Jahre oder sagen wir, diejenigen der Nachkriegsjahre sind bei den Meisten noch in guter Erinnerung. Ich will mich daher in meinen Ausführungen auf die Gründerjahre des Vereins beschränken.
Es ist wie bei dem Geburtstag eines Menschen, an dem man auch am liebsten aus den Kinderjahren erzählt, ist diese Zeit doch die schönste, knüpfen sich an diese Zeit doch die liebsten ' Erinnerungen.Wie sollte es bei uns anders sein.
Wenn ich nun aus den Kinderjahren des HESV Frisia erzähle, so will ich doch die Gründungszeit des Husumer Fussballsports nicht übergehen, denn erst diese Kenntnis rundet das Bild ab. Ich habe diese Zeit schon einmal kurz beim 25jährigen Jubiläums des Vereins 1950 gestreift, sie geschildert und beschrieben. Aber diese Zeit ist es doch wert, daß man sich ihrer erinnert, waren es doch die Pioniere im Husumer Fußballsport, die in unserer Heimatstadt dem Sport des runden Lederballs zum Durchbruch verhalfen.
Nachdem um die Jahrhundertwende der Husumer Turnverein für eine ganz kurze Zeit eine Fußballabteilung aufstellte, die aber über eine Statistenrolle nicht hinauskam erfolgte im Jahre 1906 die Gründung des ersten Husumer Fußballvereins "Unitas". Es waren meistens junge Kaufleute und Bankbeamte, die aus den Großstädten nach Husum verschneit waren, die den Mut aufbrachten, sich gegen den Widerstand der Husumer Professoren und der Chefs durchzusetzen. Auf der "Freiheit", die auch die erste Spielstätte Frisias werden sollte, wurde das Spielen aufgenommen.
Wir, die wir noch in den untersten Klassen zur Schule gingen, waren von diesem Spiel hellauf begeistert. Wie könnte es auch anders sein? An Fußballstiefel oder Dreß, wie es jetzt schon die ganz jungen Steppke tragen, war zu damaliger Zeit garnicht zu denken. Nur die Jungen, die in der Auswahl ihrer Eltern ganz vorsichtig gewesen waren, bekamen zum Weihnachtsfest einen Fußball geschenkt. Diese Jungen waren immer stark umworben, und es bedeutete schon eine besondere Auszeichnung, in den Kreis dieser fußballtreibenden Jungen aufgenommen zu werden. Aber wir wußten uns immer zu helfen, ein Gasball zu 50 Pfennigen, und wenn die nötigen Groschen fehlten, ein runder Stein, halfen uns, in die Anfangsgründe des Fußballspiels einzudringen.
Das Bild der Gründungsmannschaft des Vereins "Unitas" scheint verlorengegangen zu sein. Aber wir Jungen hatten auch anno dazumal unsere Lieblinge, genau so, wie heute jeder Uwe Seeler oder Günter Netzer kennt. Wir hatten unsere Lokalmatadoren. Wer kannte nicht "Säckel", der einen Vollbart trug und daher den Namen "Jesus" trug. Oder "Borneo", der wegen seiner schwarzen Haare und seines fremdländischen Aussehens diesen Namen bekam.
Ich habe schon vielfach geschildert, unter welchen schwierigen und primitiven Umständen der Fußballsport ausgeübt wurde. Die Freiheit war für damalige Verhältnisse gar kein so übler Platz, wenn auch die Grasnarbe nicht ohne Dicken war. Sie hatte dazu den Vorteil, daß die spazierengehende Bevölkerung doch für einige Minuten stehenblieb, teils unter Kopfschütteln weiterzog oder dem Spiel Geschmack abgewann.
Zu diesen Leuten gehörte Gott sei Dank auch mein Vater, der mir bald sein Bedauern ausdrückte, daß man in seiner Jugend dieses Spiel nicht gekannt hätte. Aber immerhin hatte der Fußballsport zu damaliger Zeit mehr Feinde als Freunde. Besonders die Lehrerschaft tat den Lederball in Acht und Bann. Es war eben ein englisches Spiel. Und ich weiß noch ganz genau, wie ich mich als junger Stift in einem Zeitungskrieg mit einem Husumer Professor einließ, der den Fußballsport aber auch restlos verdammte. Ich durfte den Artikel aber nicht mit meinem Namen zeichnen.Was glauben Sie, was mir passiert wäre?
Denn damals war es doch eine halbe Gotteslästerung, wenn man als blutjunger Mensch eine andere Meinung als ein Professor gehabt hätte. Aber die Redaktion hielt dicht, und ich sonnte mich im Geheimen bei der Anerkennung, die der mutige Streiter erhielt. Aber aller Widerstand der fußballfeindlichen Kreise nutzte nichts. Der runde Lederball trat seinen Siegeszug in unserer Heimat an.
Im Jahre 1910 wurde der zweite Husumer Fußballverein "Alemannia" gegründet. Ihm gehörten in der Mehrzahl Handwerker und Arbeiter an. Auch in diesem Verein war ein stetiger Aufschwung zu verzeichnen.
Jahre gingen dahin, immer größer wurde der Kreis der fußballtreibenden Jugend. 1914. Der erste Weltkrieg brach aus. Fast alle Mitglieder der ersten Männermannschaften wurden einberufen. Zurück blieben nur wir 16- und 17-Jährigen. Wir hielten den Sportbetrieb aufrecht. Zuletzt taten sich die Überrest beider Vereine zusammen unter Zuhilfenahme einiger Kräfte der Marinestation. Aber der Krieg brauchte alle wehrhaften Jiinglinge. Der Fußballsport karn in den letzten Kriegsjahren zum Erliegen.
Wie tief aber der Gedanke der Husumer Jugend in dem Fußballsport verkörpert war, zeigte sich nach dem Kriege in der Gründungsversammlung des neuen Husumer Fußballvereins, die im Dezember 1918 erfolgte. Man einigte sich auf einen Verein, der den Namen Husumer Fußballverein von 1918 tragen sollte. Noch waren alle ehemaligen Mitglieder noch nicht zurückgekehrt. Der Verein nahm einen lebhaften Aufschwung, zählte eine beachtliche Zahl von Mitgliedern und wußte auch auf dem grünen Rasen eine gute Rolle zu spielen.
Das war die Situation, wie sie die Gründer des HSV Frisia vorfanden. Aus sportlichen Gründen, auf die hier nicht näher eingegangen werden soll, liegen sie doch nunmehr 30 Jahre zurück, traten einige junge Leute aus dem HFV v 1918 aus und planten einen neuen Verein. Die meisten Spieler entstammten der Jugendmannschaft, und es hat für die Folge wohl kaum eine Mannschaft gegeben, die an Jahren jünger war. Als wir anfingen, unseren Verein auf die Beine zu stellen, konnten wir wie Fritz Lau in seiner köstlichen Geschichte "Besorgen" sagen: "Mit Nix sind se anfungen."
Sie hatten keine Kluft, keinen Fußball, keine Tore, überhaupt nichts, und es gehörte schon ein großer Optimismus dazu, überhaupt anzufangen. Aber eines stand als gewaltiger Aktivposten auf der Habenseite: Das war der nicht zu übertreffende Kameradschaftsgeist. Und dieser gute Geist hat den Verein immer begleitet. Wie oft wurde ein scheinbar verloren gegangenes Spiel noch in den letzten Minuten in einen Sieg verwandelt. "Elf Freunde müßt ihr sein, um Siege zu erringen". Auch eine lange Pechsträhne konnte diesen Geist der Spiele nicht erschüttern.
Als sich am Gründungstag 20 junge Leute in Boy Clausens Gasthof zu einer Besprechung zusammen fanden, wurde der Beschluß gefaßt, in der nächsten Woche den Verein aus der Taufe zu heben. Er erhielt den Namen "Frisia" nach seiner nordfriestschen Heimat. Als Vereinsfarben wählte man die Husumer Stadtfarben blau und gelb. Gelbes Hemd und blaue Hose.
Ich sagte schon, daß die Mehrzahl der Mitglieder sich aus jungen Leuten zusammensetzte, die zum großen Teil nur ihr Lehrlingsgehalt bezogen. Von ihnen war keine große finanzielle Hilfe zu erwarten, die nun einmal notwendig war, wenn überhaupt die notwendigsten Spielgeräte angeschafft werden sollten. Aber woher das Geld nehmen? Es traf sich daher ganz günstig, daß einer der wenigen älteren Spieler sich für seine Aussteuer ein kleines Bankkonto zugelegt hatte. Hiervon wurden erstmal die Utensilien gekauft. Nebenbei, dieser Spieler hat sein Geld wiederbekommen.
So war es immer, wenn Not am Mann war,und dieses kam recht oft vor. Dann griff der Vorstand in die Privattasche und mancher 10- oder 20-Markschein landete in der Vereinskasse und half über die vielen finanziellen Klippen hinweg. Kein Wunder, daß von anderer Seite der neugegründete Verein schon bei seiner Geburt totgesagt wurde. Aber es zeigte sich, daß dieses Kind weder eine Frühgeburt war, noch daran dachte, immer in zartem Kindesalter das irdische Dasein zu segnen. Das KInd konnte sich recht bald auf eigene Beine stellen. Wie oft mußten wir in der Anfangszeit haushohe Niederlagen einstecken 10:0, 7:1 usw. Aber es wurde eisern weitertrainiert. Einmal mußten die Früchte reifen.
Zweimal hieß es Konditionstraining in der Woche, einmal gab es technischen Unterricht. Auch bei hohem Schneefall wurde geübt, es gab kein Pardon. Wer nicht zum Training kam, mußte damit rechnen, zum nächsten Spiel nicht aufgestellt zu werden. Allmählich wurden bessere Resultate erzielt, und als der erste Sieg gelandet wurde, war die Freude groß. lm nächsten Jahre hieß es, an den Punktspielen teilzunehmen, gingen wir mit berechtigtem Optimismus in die Punktrunde. Die letzten Spiele hatten gezeigt, daß wir es zwar nicht mit den Spitzenvereinen aufnehmen konnten, aber immerhin hatten wir manche Elf der zukünftigen Klassenvereine in Freundschaftsspielen besiegt. Erklärlich, daß gerade dem Spiel gegen den Ortrivalen mit Spannung entgegen gesehen wurde. An einen Sieg wagten wie nicht zu denken. Aber immerhin wollten wir unser Fell so teuer wie möglich verkaufen. Über 2000 Zuschauer umsäumten den Platz am Marienhof, denn die 18er hatten sich inzwischen einen eigenen Sportplatz zugelegt. Als es bei der Pause 3:0 für unseren Gegner hieß, schien es nach einer haushohen Niederlage auszusehen. Aber es zeigte sich, daß sich unser Training auswirkte. Wir schossen in der zweiten Halbzeit zwei Tore zum Ausgleich langte es nicht mehr. Singend und untergehakt gingen wir vom Platz, und gerade diese nur knappe Niederlage gegen eine Mannschaft mit großem Namen gab uns ungeheuren Auftrieb.
Wir konnten im ersten Jahre einen Mittelplatz belegen. Ich glaube, niemals ist von einer Mannschaft einer Bezirksklasse mehr trainiert worden, als in diesem Jahre im Verein Frisia. Wenn ich an die Montagabende denke, so weiß ich mich genau zu entsinnen, daß wir über Monate hinaus immer dieselbe Elf aufstellen konnten, das bedeutete, daß kein Spieler sich vor dem Training drückte, sonst wäre er kaltgestellt worden. Wie sehr mußte eine Mannschaft zusammenwachsen, die immer in derselben Aufstellung spielte.
Auch die Leichtathletik kam nicht zu kurz. Wer erinnert sich nicht der Waldläufe im Lehmsieker Gehölz. Kurz, es wurde alles unternommen, was die Mannschaft bis zum letzten fit machen konnte. Wir hatten ein Ziel, und das war die Meisterschaft. Die Freundschaftsspiele bestätigten unsere gute Form.
Sogar gegen die Mannschaften der Hamburger A-Klassen schnitten wir gut ab. Gegen die Wackermannschaft mit den Gebrüdern Böttger, die repräsentativ fiir Hamburg gegen Kopenhagen spielten, konnte ein Sieg herausgeholt werden.
Die Rivalität zwischen den beiden Vereinen wuchs. Das es Fanatiker auf beiden Seiten gab, die ich persönlich nie habe leiden können, versteht sich. Diese gibt es iiberall und sind dem sportlichen Gedanken nicht förderlich. Eines war aber erfreulich in diesem sportlichen Konkurrenzkampf. Die ganze Husumer Bevölkerung wurde von der Erregung mitgepackt. Bei einem der ersten Spiele wurden beinahe 2000 Zuschauer gezählt, und dies bei einer Bevölkerungszahl von ca. 15000. Das bedeutet, daß 20 % der Husumer Bevölkerung sich zu diesem Kampf einfand. Man überlege, ob in anderen Städten eine derartige Begeisterung für den Lederball herrschte.
Um es kurz zu fassen: Im zweiten Jahr unserer Teilnahme an der Punktrunde gelang uns der große Wurf. Wir wurden stolzer Meister und stiegen auf. Unser Rivale mußte noch ein Jahr warten, ehe ihm der Aufstieg gelang. Wenn wir noch heute auf diesen Erfolg stolz sind, so mögen sie uns verzeihen. Das Ziel war hoch, und wir hatten es erreicht.
Mit wechseldem Erfolg wurden die nächsten Jahre durchgestanden. Auch von Rückschlägen blieb der Verein nicht verschont. Aber Höhen und Tiefen hat ja jeder Verein durchzumachen. Im vierten Jahre des Bestehens konnte der neue Sportplatz in der Woldsenstraße eingeweit werden. Es kostete zwar viele Kopfschmerzen in finanzieller Hinsicht, aber auch diese Hürde wurde dank der Opferfreudigkeit der Mitglieder überwunden.
Nachdem Frisia sich 1936 dem Verband der Eisenbahnsportvereine angeschlossen hatte, dieser Schritt brachte doch verschiedene finanzielle Vorteile, übernahm Herr Kretschmer und später Herr Knoche die Führung des Vereins. Aber diese Jahre waren insofern schwer, als der Fußballsport sich dem SA-Dienst unterordnen mußte. Aber es sei doch festgestellt, daß der Sturmführer sehr freundlich eingestellt war und Härten nach Möglichkeit zu vermeiden suchte. Aber es war nicht mehr der freie Geist früherer Jahre.
1938 erfolgte dann im Zuge der Gleichschaltung die Auflösung des Vereins. Die meisten Spieler schlossen sich dem HFV v. 18 an, und einige sind dort zum Teil bis zum heutigen Tage geblieben. Als dann 1945 der Zusammenbruch kam, nahm Husum 18 unter neuer Führung als erster die sportliche Tätigkeit wieder auf. Aber der alte Frisiageist ließ sich nicht unterkriegen. Reinhold Schacke und viele andere riefen den Verein 1946 wieder ins Leben. Auf der Alten Freiheit wurde wieder begonnen, dem Ball nachzujagen. Gestartet wurde mit dem Punktspielbetrieb in der Bezirksliga ... Nach Klassenneueinteilung (Schaffung der Landesliga) fiel die Mannschaft in die Kreisklasse zurück. Schon die Spielzeit 1948/49 brachte für die 1. Männermannschaft den Kreismeistertitel und den Aufstieg in die Bezirksklasse.
Unser lieber Reinhold starb aber viel zu früh. Er war es auch, der die Topfsche Koppel als neuen Sportplatz pachtete. Viele freiwillige Arbeitsstunden wurden von den Mitgliedern geleistet, um den Platz herzurichten. Für den Platzwart wurde eine Wohnung geschaffen.
1948 ging Reinhold Schacke von uns. Sein vorwärtsdrängender Geist war es, der den Verein auf eine gesunde Basis stellte und in kurzer Zeit ein gesundes Fundament fiir das fernere Vereinsleben schuf.
Seit 1948 führt Albert Bremer den Verein. ln ihm hat der Verein einen Vorsitzenden gefunden, der mit viel Idealismus an die ihm gestellten Aufgaben heranging. Wenn Frisia im Bezirk ein Wort mitsprechen kann, so ist es nicht zuletzt sein Verdienst. Auch ihm. zur Seite stehen ein Stab getreuer Mitarbeiter. Ob es Abbi Thomsen, Joh.Christiansen, Arthur Langholz, Helmut Langholz oder Karl Siercks ist. Sie alle stehen seit vielen Jahren immer dort, wenn es für den Verein zu arbeiten gilt. Sie alle haben dafür gesorgt, daß seine Spieler im Amateurgedanken ihr Ideal sehen. Der Verein ist in seinem Gefüge so wunderbar gesund, daß man um die zukiinftige Entwicklung nicht bange sein braucht. Wir wünschen ihm, daß dieser Geist auch weiterhin erhalten bleibt, daß er weiterhin ein Bund der Idealisten sein möge und daß er auch sein 50. Jublläum im selben Geiste begehen möge.
Diese schönen Zeilen schrieb uns der Mitbegründer! |