"Domuls bi Achtein"
Eine kleine Geschichte aus der Jugendzeit
In meinen Erinnerungen von "domuls" habe ich schon wiederholt von der hervorragenden Jugendbetreuung und der damit verbundenen Begeisterung für unseren Verein und unseren Trainer Werner Rusbült berichtet und darüber, wie es war damals in den 1930er Jahren. Wiedermal ist es jetzt die besinnliche Weihnachtszeit und alle Jahre wieder muß ich an folgende kleine Geschichte denken.
Es war im Jahre 1935, "ick wär domuls düttein Johr olt." Wie jedes Jahr hatten wir so kurz vor Weihnachten unsere Jugendweihnachtsfeier. Im Saale des Handwerker-Vereinshauses, unser damaliges Vereinslokal, kann dann der Weihnachtsmann. Er wußte dann von jedem Jungen, ob er trainingsfleißig gewesen war, ob er mal flegelhaft oder sonst irgendwie aufgefallen war (der kriegte dann einen Klapps mit der ominösen Rute), er wußte eigenartigerweise viel zu viel, doch nachdem man unter dem brennenden Christbaum gemeinsam ein paar Weihnachtslieder und unser "Ich schwör auf 18" runtergeschmettert hatte, bekam jeder Jugendspieler "seine" Tüte aus tannengeschmücktem Papier mit Nüssen, Marzipan, Äpfeln und Apfelsinen. Wir waren dann immer ganz stolz und glücklich!
Ja, "heute" hört sich das wohl seltsam an, aber wir freuten uns "domuls" über Äpfel, Nüsse und Marzipan in der glitzernden Weihnachtstüte wohl mehr, als heute so mancher in der sogenannten Wohlstandszeit über scheinbar wertvollere Dinge.
Und wie freuten sich dann all die Alten, die dabei gemütlich beim Teepunsch oder Grog ihre Freude an unseren glänzenden Augen hatten. Da waren der Trainer Werner Rusbült, für den so mancher Junge durchs Feuer gegangen wäre, da war unser guter Vereinsvorsitzender Bernhard Petersen, da waren die Herren Herbert Koch, Karl "Noske" Carstens, Franz Sülau, Max Struve, Hermann Lex und all die, die man gar nicht alle aufzählen kann, nicht zu vergessen natürlich unseren schmunzelnde Vereinswirt Markus Nehlsen mit seiner guten Frau. Es war eine begeisternde Vereinsfamilie, unser "Achtein".
Bei dieser besagten Feier nun nahm ich nach der "Bescherung" Herr Hermann Lex auf die Seite und drückte mir noch eine zweite glitzernde Tüte in die Hand (die der Weihnachtsmann bei ihm abgegeben hatte). Inhalt: ein paar funkelnagelneue rote Stutzen. Er wußte natürlich, wo es fehlte, sicher hatte er mich mal im gewöhnlichen Socken kicken gesehen. Junge, Junge, hab ich mich gefreut!
Und glücklich, zufrieden und begeistert ging es dann wieder zurück nach "Röms". "Heine" (mein Jugendfreund Heinrich Speck) und "ick" machten aber sehr oft einen Umweg. "Wi wulln nomull kigen, wat bi Willy Hellberg in dee Osterenn för Motorräder utstellt wär'n, un wat se kossen deen."
Und so gingen wir stets übern Klosterfriedhof Richtung Osterende. "Owwa, spätestens bi Tedje Storm sin Grab wulln wi doch mull sehn, wat nun all in dee dore Wihnachtstut wär. Owwa dor wär dat to düster, un wi nörgelden öwwer dee Stadtlampen, denn wi mussen unse Nischiriket noch een Ogenblik opschuben. Bi Hellberg för dat Finster, dor wär dat hell, und dor kunn wi denn glick mit de niie Motorräder unse Tut ankigen un dee Nöt telln."
Bei den Schaufenstern angekommen, hatten wir aber an diesem Abend gar keinen Sinn für ausgestellte Motorräder, und gegenüber im Stadtcafe hörte man Klavier und Geige, sie spielten gerade die böhmische Polka, einige sangen "Tante Hedwig, Tante Hedwig, die Nähmaschine geht nicht". "Owwa Heine wull unbedingt sehn, wat in min Tut wär un wat ick kreegn harr, un ick harr blots Oogen för min rode Strümp. Blots Oogen för dee dor feine Stutzen von Herrn Lex. Un ick weet ne, wi dat keem, mit gans hidde Füüs kunn ick wull beide Tuten nee hol'n, Heine wär owwer ock to ungestüm, un bums, flog de Wihnachtstut op dee Straad. Un natürli platzt de Schid glick op, so dat Abbeln, Abbelsin un de Nöt bet runner no Bäcker Brix raschelten, de Nöt sprungen as Frösche wech, am schlimmsten wärn dee lüüde Hoselnöt. Ers schimpt ick mull richdi mit Heine, owwa hee meende, ick haar sölm Schuld, ick harr je blots no Oogen för dee dor Stutzen, un nichs anners mehr in de Kopp. Denn leegen wi beide op dee Kneen un sammelden Abbeln, Abbelsin un dee Nöt wer tosaam, dee wör'n ja schlisli von Achtein."
"Een poor Lüüd sechen unse Spillwark un see schimpten uns no ut, dat wi uns schämen sulln, so mit de feine Krom rum to schmiten, wenn se wußt harrn, wi wichdi uns disse 'Achtein-Nöt' wärn! Ick glöw, ick heff dee ganse Wech von Bäcker Brix öwwer de Plan un dee Lämmerfenn bet no Röms mit min Heine schimpt. Schimpt un lacht, hüt noch denk ich droan torüüch!"
Mein Freund Heinrich Speck fiel 1943 in Rußland, ich vergeß ihn nie! An den längst verstorbenen Hermann Lex denk ich oft zurück und in der Weihnachtszeit auch mal an "rote Stutzen"! |