von Dr. G. Schiller
Es war schon ein spektakuläres Unternehmen, im Jahre 1951 mit einer Reisegruppe ins Ausland zu fahren. Es waren Mitglieder der Handballabteilung mit Freunden, die vom 28. Juli bis 12. August 1951 mit dem damals neuesten Luxusbus der Fa. Grunert, der Chef Fritz Grunert fuhr persönlich, in die Schweiz und noch Italien fuhren. Für heutige Verhältnisse unvorstellbare Hindernisse galt es in der Vorbereitungsphase zu überwinden. Offizielle Genehmigungen der Zentralbank wegen der Devisenbeschaffung waren erforderlich, diese waren abhängig von den Visagenehmigungen der Konsulate.
Am 28. Juli wurden 41 Sportler von der damaligen Vereinsturnhalle (s.Bild) an der alten Freiheit von einer großen Menge von Eltern und Freunden verabschiedet.

Eine für alle unvergeßliche und noch heute oft diskutierte Tour führte uns über Hamburg -Fahrzeit war 3 1/2 Stunden- die Nacht hindurch, und um 7.30 Uhr morgens wurde Heidelberg erreicht und am Neckar eine Pause eingelegt zum Wecken. An einer Großtankstelle in Lärrach wurde dann am Spätnachmittag die erste Pause nach 24 Std. eingelegt. In einem mitgeführten Anhänger hatten wir einen Großteil der Verpflegung und drei Zelte -nicht mit der heute vorhandenen Qualität zu vergleichen- die dann schnell aufgebaut waren. Nach dem Grenzübergang machten wir dann eine kurze Pause in Basel, über Bern ging es entlang dem Thuner See bis Interlaken. Unser erstes Hauptziel Grindlwald lag jetzt vor uns und damit das gewaltige Bergmassiv der Jungfrau-Gruppe und der Eiger-Nordwand, über deren dramatische Erstbesteigung wir in der Vorbereitungsphase in Bild und Ton schon viel erfahren hatten.
Eine kleine Zeltstadt wurde schnell gebaut und war Ausgangspunkt für die Exkursionen der kommenden Tage, die bei der Gletscherwanderung schon um 5 Uhr früh starteten und bei 2 500 m Höhe endeten.
Von Grindlwald ging es nach Genf, am Genfer See entlang in Richtung Rhone-Tal wo wir die Zelte wieder aufschlugen. Diese Nacht, allen Teilnehmern noch heute unvergeßlich, denn nachts wurden wir von Schwärmen bluthungriger Mücken heimgesucht. Die Folgen waren am nächsten Morgen nicht zu übersehen, geschwollene Nasen, geschlossene Augenlieder und verunzierte Arme und Beine zeugten von der Anziehungskraft der Teilnehmer.
Der Tag darauf sollte einer der aufregendsten werden, denn auf der Fahrt nach Italien sollten wir den damals noch sehr schmalen und unbefestigten Simplon-Paß passieren.
Alle 20 bis 30 Minuten kochte das Kühlwasser des Busses, und nach einer Wartepause mußte frisches Bergwasser aus dem nächsten Bach geholt werden. Schließlich mußten alle aussteigen, um den Bus zu entlasten und zu Fuß weitergehen.

Nicht weniger problematisch gestaltete sich die Abfahrt von der Paßhöhe, denn der Bus schaffte die engen Serpentinen nicht, und so mußten wir mehrfach den Anhänger abkoppeln und wieder anhängen. Am Lago Maggiore angekommen war es inzwischen spätabends, und der Bürgermeister eines Dorfes stellte uns großzügig sein Grundstück zum Zelten zur Verfügung. Unsere Ankunft hatte das ganze Dorf mobilisiert, und beim Eintreffen in einem Gartenrestourant waren viele Italiener schon anwesend. Es wurde eine weinselige Nacht, und bei Gitarren und Akkordeonklängen wetteiferten deutsche und italienische Lieder, und auf dem Heimweg fand sich noch ein offenes Fenster, das Auslöser für ein nächtliches Gitarrenständchen war, und bei Vollmond gab es auch noch ein Bad im Lago Maggiore.
Am Tag darauf wurde der Ort Locarno angefahren, der für die nächsten Tage unser Standort blieb. Über Lugano, vorbei am Comer See, ging es wieder nordwärts über den Maloja-Paß bis kurz vor St. Moritz. In 1 900 m Höhe war es zu kalt zum Zelten, und freundlich stellte ein Bauer uns seine Scheune zu Verfügung. Über den Julier-Paß ging es dann talabwärts zur Lenzerheide und hier am Zürich See entlang über Zug nach Luzern, wo wir noch einmal am Lido die Zelte aufschlugen. Eine schöne Rundfahrt um den Vierwaldstädter See schloß sich am Tag darauf an und ein weiterer Tag für die Stadtbesichtigung und Einkäufe.
Die Rückfahrt mit einer Unterbrechung in Ulm gestaltete sich problemlos, und nach 25 Stunden empfing uns eine große Menge von Freunden und Eltern vor der Vereinsturnhalle an der Freiheit.
Verglichen mit den heutigen Verhältnissen mag manchem Jüngeren ein leises Lächeln über eine solche strapaziöse Tour über die Lippen kommen. Aber damals gab es noch keine Angebote mit fertigen Auslandsreisen, und um die Probleme zu lösen, brauchte es fast ein ganzes Jahr Vorarbeit, und viele gute Beziehungen waren bei der Organisation nötig.
Bei einem abschließenden Erinnerungsabend mit Lichtbildern konnten wir einen großen Saal mit den vielen Interessenten füllen, und diese folgten begeistert den Schilderungen. Die "Husumer Nachrichten" informierten damals in mehreren Berichten über den genauen Verlauf der Tour.
Es besteht heute noch der Original Sammelreisepass, der bei Dr. G. Schiller in guten Händen ist.
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